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NRW: Oberbürgermeister-/Landratswahl ohne Stichwahl

 

Zu den Oberbürgermeisterwahlen in Nordrhein-Westfalen im Rahmen der Kommunalwahlen am 30. August 2009 wird es keine Stichwahlen geben. Zudem wurde die Amtszeit der Oberbürgermeister/der Landräte um ein Jahr von fünf auf sechs Jahre verlängert.

Während die Dauer der Amtszeit eine politische Entscheidung ist, wirkt sich der Verzicht auf die Stichwahl auch auf die Legitimation und Amtsautorität des Oberbürgermeisters/des Landrates aus. Denn eine Stichwahl zwischen den beiden bestplatzierten Kandidaten, sofern nicht bereits im ersten Wahlgang einer der Kandidaten mehr als 50% der Stimmen auf sich vereinigen konnten, bewirkt eine Verstärkung der Legitimation, weil dieser dann die absolute Mehrheit der Wähler/innen hinter sich weiß.

Gegen den Verzicht auf die Stichwahl haben die Oppositionsparteien im Landtag Klage vor dem Landesverfassungsgerichtshof in Münster eingereicht und sind unterlegen. Das Gericht hat die Bedenken zur Legitimation eines Oberbürgermeisterkandidaten, der nur mit einer (knappen) relativen Mehrheit gewählt wird, offenbar nicht geteilt.

Der Verzicht auf die Stichwahl soll den Kommunen Ersparnisse in Zeiten knapper Kassen bringen. Welch ein Argument, wenn es um die demokratische Legitimation eines Wahlaktes geht! Mit der gleichen Argumentation hatte die Landesregierung bereits versucht, die Kommunalwahlen mit den Wahlen zum Europäischen Parlament zusammenzulegen.

Tatsächlich besteht nun die Möglichkeit, daß Oberbürgermeister ins Amt kommen, die eine knappe relative Mehrheit erringen. Gibt es in einem Wahlgebiet drei etwa gleich starke Kandidaten, kann bereits knapp über ein Drittel der Stimmen reichen, um einen Kandidaten ins Amt zu bringen. Dieser Oberbürgermeister wird seine Amtszeit über mit dem legitimatorischen Makel leben müssen, daß er nur von einer Minderheit der Bürger ins Amt gewählt worden ist.

In zahlreichen Kommunen von Nordrhein-Westfalen hatte es vor fünf Jahren Stichwahlen zum Amt des Oberbürgermeisters beziehungsweise des Landrates, weil in der ersten Runde kein Kandidat es schaffte, eine Mehrheit der Bürger hinter sich zu vereinen. Weil Oberbürger/Landräte auch Chefs der Verwaltung sind, ist eine breite legitimatorische Basis jedoch unabdingbar, der Verzicht darauf - insbesondere, wenn Kostengründe vorgeschoben werden - eine Beschädigung der Legitimation des Kandidaten. Zudem hatte es sich bei den Stichwahlen auch gezeigt, daß jener Kandidat, der in der ersten Runde zwar vorne lag, aber nicht die absolute Mehrheit erreichte, in der Stichwahl dem zweitplatzierten Kandidaten unterlegen war.

Eine solcher Eingriff in die Wahlsystematik wird Folgen für das Wahlverhalten der Wähler/innen haben. Sie müssen sich nun bereits im ersten Wahlgang entscheiden, ob sie den Kandidaten ihrer unmittelbaren Präferenz aus dem eigenen Lager wählen, auch wenn dieser aussichtslos ist, oder aber unmittelbar den Kandidaten aus dem eigenen Lager, der möglicherweise zweite Präferenz ist, dafür die Chance auf die relative Mehrheit hat. Damit wird insbesondere kleineren Parteien die Möglichkeit entzogen, mit einem Achtungserfolg ihres Kandidaten im ersten Wahlgang ein politisches Zeichen zu setzen, sofern sie damit nicht dem Kandidaten aus dem gegnerischen Lager helfen wollen.

Als Beispiel: Wer rot-grün unterstützt mit Präferenz zu Bündnis '90/Die Grünen wird sich bei der Oberbürgermeisterwahl überlegen müssen, ob er nicht besser direkt den SPD-Kandidaten wählt, wenn dieser bessere Aussichten hat, die Wahl zu gewinnen, statt zunächst den eigenen Kandidaten zu unterstützen um ein politisches Zeichen zu setzen um dann bei der Stichwahl den SPD-Kandidaten ins Amt zu verhelfen. Letztere Möglichkeit ist dem hypothetischen Wähler durch den Wegfall der Stichwahl genommen, seine Stimme kann nun bewirken, daß dem Kandidaten des gegnerischen Lagers ins Amt verholfen wird.

In dieser Hinsicht wird die Verlängerung des Amtes problematisch, weil diese auch den unzureichend legitimierten Kandidaten länger im Amt läßt. Der Wegfall der Stichwahl mag die Kosteneffizienz steigern, die Demokratie und die Legitimation mit nur relativer Mehrheit gewählter Kandidaten wird indes beschädigt.

© Udo Ehrich 04.08.2009

Siehe auch: Diskussion um Stichwahl wird fortgesetzt